Die „Substituierend Dialogisch-Kooperative Handlung-Therapie (SDKHT)“

Mai 21, 2019

Zwei Beiträge zu den Grundlagen, der Theorie und Praxis der SDKHT – eine basistherapeutisch-pädagogische Konzeption und ein Nachtrag von 1984

Vorgestellt werden in zwei Texten (a) das Manuskript der Erstveröffentlichung der SDKHT, die 2002 erfolgte, in nur gering modifizierter bzw. durch Literaturhinweise ergänzter Form und (b) eine schwerpunktmäßig fallbezogene Darstellung der Konzeption und Arbeitsweise.

Es geht um die Arbeit mit mit Menschen aller Altersstufen, die als „austherapiert“, „therapieresistent“, „nicht bildbar“, „rehaunfähig“, „gemeinschaftsunfähig“ (weil schwerst selbst und fremdgefährdend oder im Koma bzw. Wachkoma lebend) etikettiert sind. Hochgradige soziale wie bildungsmäßige Isolation und Langzeithospitalisierung sind für sie kennzeichnend. In der Arbeit im Konzept der SDKHT wird versucht, auf der Basis und in Umsetzung der ihm zugrunde liegenden humanwissenschaftlichen und persönlichkeitstheoretischen wie entwicklungspsychologischen Grundlagen in einem der externen und subjektiv-internen Wirklichkeit der Klienten, die vom Standpunkt des „inneren Beobachters“ aus zu erschließen ist, Rechnung tragenden Setting und modellhafter Präsentation der gemeinsamen Kooperationszusammenhänge den meist zerstörten und „entgleisten“ Dialog (auch Interaktion und Kommunikation) und eine neue Lebensperspektive (therapeutische Dimension) in Feldern höherer Lebensqualität aufzubauen und die Absicherung eines Lebensplanes (pädagogische Dimension) anzubahnen.

Die Integration dieser Menschen im Sinne ihrer Befreiung aus Sonderinstitutionen und ihrer Begleitung in reguläre Formen gesellschaftlicher Teilhabe und damit ihrer Inklusion ist heute noch weitgehend ungelöst. Die Diskurse um Inklusion erwähnen sie kaum einmal und es gilt wohl als der UN-BRK genügend, um die 80%-90% zu inkludieren und diese Menschen selbstverständlich auf allen Ebenen gesellschaftlichen Lebens exkludiert und zwangsinkludiert zu belassen. Allein deshalb bedarf diese Arbeitsweise besonderer Beachtung, die in vielen Bereichen dazu geführt hat, die Lebensqualität der oft durch strukturelle Gewalt und nach langen Zeiten hoch isolierten Einschlusses, mechanischer und medikamentöser Fixierung  schwer traumatisierten Menschen erheblich zu verbessern und ihre (auch assistierte) Teilhabe in regulären Lebensfeldern zu ermöglichen.

Text (a):
Die „Substituierend Dialogisch-Kooperative Handlungs-Therapie (SDKHT)“ – eine Basistherapie.
„Austherapiert“ und „gemeinschaftsunfähig“ gibt es nicht!

Leicht ergänzter und modifizierter Originaltext (a) zum Download

Ergänzende Skizzen und Hinweise zum Text (a) zum Download

Eine Kurzfassung der zentralen Momente der SDKHT zum Download: Weiter >>

Originaltext (a) in englischer Sprache
„Dialogue-Centred, Substitutive, Co-operative Action Therapy (DCSCAT)“ – or: Nobody is „Beyond Therapy“ and „Incapable of Social Participation“ (a Basis Therapy)

Originaltext in englischer Sprache zum Download
Original text in English to download

Text (b):
Ich bin, also denke ich! Allgemeine und fallbezogene Hinweise zur Arbeit im Konzept der SDKHT

Der Originaltext (b) zum Download

Die Veröffentlichung entstammt der Z. Behindertenpädagogik 40(2001)3, S. 268-350
Ferner enthält diese Nummer der Z. Behindertenpädagogik die Stellungnahme des Arbeitskreises Psychoanalyse und geistige Behinderung auf den Seiten 262-268 und je einen Beitrag von Ruby Vivian Räcker (S. 350-361) und  Siebo Donker (S. 361-365) als mitarbeitende Studierende.

Wie mir immer wieder bekannt wird, zeigen Lehrende im Rahmen des Studiums der Heil- u. Sonderpädagogik oder von Nachbarwissenschaften den Film „Michaelas letzte Chance“ (ausgestrahlt von der ARD am 02. Aug. 2000) ohne die Studierenden grundlegend mit der Konzeption der SDKHT und ihren humanwissenschaftlchen Grundlagen zu befassen. Der Film ist kein Lehrfilm und sein Verständnis bedarf der Lektüre der vorstehend genannten Arbeiten.

Nachtrag von 1984:

An einer Universität ist die Arbeit mit Menschen mit tiefgreifenden Entwicklungsstörungen und herausfordernden Verhaltensweisen bei schweren Traumatisierungen keine Selbstverständlichkeit –

– auch nicht im Rahmen eines Lehramt- und Diplomstudiengangs Behindertenpädagogik (heute MA; in der Schweiz früher Lizenziat). Die nachfolgenden Thesen über die [stationäre und abmulante] Arbeit mit als behindert geltenden Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in den Fachräumen des Studienganges Behindertenpädagogik im Rahmen von Forschung und Lehre an der Universität Bremen zeigen auf, dass gegen die Nutzung einer Einwegscheibe und audiovisueller Aufzeichnungen „ethische“ Bedenken angeführt wurden. Ethische Bedenken scheint man aber damit nicht zu haben, diese Menschen teils über viele Jahre hochgradig zu isolieren, zu fixieren und zu sedieren, sie großer sozialer und bildungsmäßiger Deprivation auszusetzen und sie auch wegzusperren und in menschenverachtender Weise schlicht verkommen zu lassen – siehe u.a. das vorstehende Beispiel von Michaela. Bedenken kommen aber, wenn man mit ihnen im „akademischen Gral“ arbeitet, kooperativ forscht, lehrt und Studierende befähigt, pädagogisch und therapeutisch so zu arbeiten, dass es erst gar nicht zu derart schweren autokompensatorischen Verhaltensweisen (als Folgen der Isolation) kommt. Und das ist keine Vergangenheit. Die Lehrer:innen-Ausbildung (von Lehrer:innen-Bildung wage ich nicht zu sprechen) negiert inzwischen die in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts erarbeiteten Möglichkeiten der Entwicklung von Handlungsqualifikationen, die allen Kindern und Jugendlichen schon von Kind an einen inklusiven Unterricht und eine ihren Potentialen entsprechende Entwiclung ermöglicht, um nur auf diesen Zusammenhang aufmerksam zu machen.

Das Beispiel eines Kolloquiums verdeutlicht das Ringen um diese Sachverhalte. Diese Arbeit hat nach meinem Weggang von Bremen 2005 nach Zürich keine Verstetigung gefunden.

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